Mamas sind schizophren

Mama sein ist manchmal richtig scheiße.
Es ist so und kaum eine traut sich das laut zu sagen.
Auf den meisten Mama-Blogs und Instagram-Accounts finden sich dazu fast ausschließlich die hübschesten Baby- und Kleinkindfotos, Kinderzimmer vom Interior-Designer, alles bis ins klitzekleinste Detail farblich abgestimmt.
Da liegt kein einziges Spielzeug am Boden herum, geschweige denn eine herren- , bzw. in dem Fall, kinderlose Socke. Keine vom Sport verschwitzten Unterhosen und Shirts, deren Geruch einem schon beim Öffnen der Zimmertüre langsam in die Nase steigt.
Langsam? Nein! Überfallsartig.
Gut, meine Kinder sind ja dem „Maaaaah! Bist du herzig! Tutzi-tutzi-tutzi!“-Wangenkneifer-Alter schon längst entwachsen. Sohnemann fällt mit seinen knapp zwölf Jahren gerade noch in die „Maaah! Bist du aber groß geworden!“ und Tochter schon in die „So eine hübsche junge Dame bist du schon!“ Kategorie.
In Teenie-Kinderzimmern riecht es manchmal wie in einem Pumakäfig. Um dann das Fenster möglichst schnell öffnen zu können (welches anscheinend immer noch eine Kindersicherung hat – mittlerweile halt eine imaginäre), bedarf es schon leichtathletischen Hürdensprüngen und Sprints, um
A) nicht über die zu-dreckig-für-den-Schrank-aber-zu-sauber-für-die-Waschmaschine-willkommen-auf-dem-Boden-Klamotten, Schulbücher und ziemlich ausgediente Turnschuhe zu stolpern (schließlich ist ja kaum jemand von uns gelernter Stelzengeher aus dem Zirkus) und
B) nicht in der Sekunde des Betretens gleich einen Erstickungstod zu erleiden.
Kinderzimmer sind in diesem Alter nicht mehr „schön“, sondern abgewohnt. Die Wände haben mehr Löcher als ein Nudelsieb, weil ständig neue Bilder und Fotos aufgehängt, Lichterketten mit Einhörnern, Eishockeyschläger und -dressen, Ikea-Gewürzregale für die Puck-Sammlung und weiß der Kuckuck was noch, montiert wurden. Die Böden sind zerkratzt und auf manch einem Schrank oder der Innenseite der Zimmertüre finden sich noch Klebereste von „Bob der Baumeister“-Stickern oder Disney Figuren, die sich nicht komplett entfernen lassen wollten.
Nein, diese Zimmer eignen sich nicht für Instagram-Fotos.
Ich habe ja manchmal sogar den Verdacht, dass manche dieser „Influencer“, wie sie so schön genannt werden, ihre Sprösslinge einfach bei diversen Möbelhäusern in den Schauraum setzen, um sie dort in einer Werbe-Kooperation zu fotografieren. Selbstverständlich gekleidet im neuesten und trendigsten rosa Rüschenkleidchen und Ballerinas oder der Leinenhose und dem Poloshirt von Ralph Lauren.
Also meine Kinder trugen bzw. tragen zu Hause immer Jogginghosen, bei denen die Knie schon abgewetzt sind und verwaschene T-Shirts.
Nicht Instagram tauglich, aber funktional.
Und manchmal verlassen sie auch das Haus GENAU SO. Aber nur, wenn ich nicht dabei bin bzw. davon oftmals gar nichts weiß. Und das ist gut so, denn dann muss ich mich dafür nicht in Grund und Boden schämen. Wie oft hatten oder haben wir nur diese leidige Klamotten-Diskussion!? Aaaah!
Manchmal frage ich mich schon, ob sie denn den Blick in den Spiegel überhaupt wagen, bevor sie das Haus verlassen.
Was sich aber anscheinend niemals ändern wird ist, dass man ihnen alles doppelt und dreifach sagen kann. Wenn die Kinder klein sind, hat man ja eine Eselsgeduld ihnen alles ganz genau und in einem leichten Säuselton zu erklären. Aber wenn man ihnen nach JAHREN (!!!) immer noch sagen muss, dass der Mülleimer zu entleeren ist, wenn er fast schon überquillt, reißt einem schon manchmal der Faden. Man glaubt gar nicht, was die alles noch reinstopfen und runter drücken können, damit sie sagen können „der ist ja noch gar nicht GANZ voll!“.
Und das war nur EIN Beispiel! Manchmal fühle ich mich wie ein Papagei, der immer das Gleiche von sich gibt. Oder wie eine alte Schallplatte, die einen Kratzer hat, bei der die Nadel des Plattenspielers immer wieder um ein paar Rillen zurück springt und man denselben Text wieder und wieder hört.
Mit der Geduld und den Nerven am Ende brüllt man dann seine Kinder an, die einen mit einem Blick ansehen, wie es nur ein krankes Kalb vermag. Unschuldig und vermeintlich unwissend kommt dann die Frage „Wieso? Was ist denn?“ oder „Was hast denn jetzt schon wieder?“ …
Was ICH habeeee??? ICH!?!?!
Ich habe sehr geschickte Hände, die euch in Nullkommanichts an die Wand tapezieren können, wenn ihr nicht sofort…
Oder so.
Und was sich auch NIEMALS NICHT ändern wird ist, dass wir uns Sorgen machen! Manchmal befinden wir uns in einem Zustand permanenter Panik. Wir wollen unsere Kinder zur Selbstständigkeit erziehen. Unbedingt. Und wenn sie es dann sind, oder halt zum Teil, dann sterben wir fast vor Sorge.
Wir lernen ihnen zum Beispiel Fahrrad fahren. Wenn sie dann alleine mit diesem zur Schule oder Bahnhof fahren wollen, bringen und holen wir sie lieber mit dem Auto. Manchmal ist es zu finster, dann wieder zu kalt, zu regnerisch, zu früh oder zu spät.
Aber WEHE, SIE würden das als Ausrede benutzen um nicht selbst fahren zu müssen! Was würden wir sagen? „Du hast ein Licht am Fahrrad.“, „Dann zieh dich wärmer an!“, „Passt halt noch mehr auf beim Fahren!“ oder „Du bist ja nicht aus Zucker!“.
Wir wollen bzw. erwarten sogar, dass sie uns im Haushalt helfen. Aber bitte NICHT mit der Schneidmaschine schneiden oder die Frühstückseier kochen! Das machen wir dann schon lieber selbst. Und wenn sie uns bitten, ihnen eine Jause zu richten, weil sie Hunger haben, sagen wir „Du weißt doch, wo alles steht. Ein Wurstbrot wirst dir wohl noch machen können, musst ja kein Menü kochen.“
Wenn sie dann den Führerschein haben, empfinden wir es als durchaus bequem, wenn sie uns nach einer gemeinsam besuchten Veranstaltung nach Hause fahren, damit wir Eltern vielleicht das eine oder andere Glas Wein trinken können. Möchten sie sich das Auto leihen, um mit der besten Freundin zum Shoppen in die Stadt zu fahren, sollten sie dann doch lieber den Bus oder den Zug nehmen.
Thema Schule:
Im Laufe der Jahre schraubt man ja seine ideellen Vorstellungen schon ziemlich nach unten, muss ich zugeben.
Vor allem, wenn man selbst nicht gerade eine Musterschülerin war.
In der Volksschule wäre es schon recht, wenn im Zeugnis keine schlechtere Note als eine Zwei steht. Im Gymnasium freut man sich dann über ein „Befriedigend“ oder gar „Genügend“ und in der höheren Schule hofft man einfach nur noch, dass sie irgendwie durchkommen und den Abschluss schaffen. Egal wie.

Wenn wir schwanger sind, freuen wir uns über das neue Leben, das in uns heranwächst. Das Wunder der Natur! Alle freuen sich über das „Geschenk des Himmels“!
Aber keiner – NIEMAND – sagt einem, was auf einen zukommt!
Gottes Werk und Teufels Beitrag.
Nicht heute oder morgen.
Ich meine die Zeit nach dem „Ach, was bist du nur für ein süßer Knopf!“ – Alter.
Die Zeit, wenn sie Grenzen austesten, einem den Nerv und den Schlaf rauben.
Den Schlaf, nicht weil sie ihr Fläschchen brauchen, eine volle Windel oder den Schnuller verloren haben, sondern weil sie nun auch des nächtens unterwegs sind.
Weil sie für Wochen oder gar Monate nicht zu Hause sind, weil sie sich für ein Praktikum im Ausland entschieden haben. Tausende Kilometer weit weg.
Weil wir nicht nur keine Kontrolle mehr über sie haben, sondern weil wir sie auch schrecklich vermissen.
Wir wollen ja, dass sie ihren eigenen Weg gehen, dazu haben wir sie ja erzogen. Aber bitte dort, wo wir sie auch sehen können.
Wir wollen ja, dass sie frei und unabhängig werden. Nur loslassen wollen wir sie nicht.
Wir wollen ihnen Flügel geben, ihnen dann aber das Fliegen doch nicht so recht zugestehen.

Meine geliebte Omi hat immer gesagt: „Kleine Kinder, kleine Sorgen. Große Kinder, große Sorgen.“
So ein Schwachsinn!
Die Sorgen bleiben immer gleich „groß“, sie werden nur anders.

Wenn unsere Kinder im Teenie Alter uns bis aufs Blut nerven, sehnen wir uns herbei, dass sie bald ausziehen mögen. Steht diese Zeit vor der Tür, haben wir Angst, dass sie tatsächlich gehen.
Zuerst haben wir Angst, dass sie den falschen Partner kennen lernen. Und später haben wir Angst, dass sie den richtigen treffen. Weil wir sie dann verlieren.
Auch ein Schwachsinn!
Wir verlieren sie nicht. Solange wir ihnen das Gefühl vermitteln können, jederzeit zu Hause willkommen zu sein. Zu Besuch. Wieder hier einziehen? Das dann doch bitte lieber nicht.
Ich will kein Boomerang-Kind haben.
Denn schließlich hat man dann ja schon wieder „sein eigenes“ Leben.

Wir Mütter sind schon ein wenig schizophren, oder? …Ein wenig.

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