Von Helicopter-Müttern über Pinterest-Mamas zur perfekten Hausfrau

Meine Lieben, ganz ehrlich, mir reicht’s!!!
Ich habe die Nase (eigentlich würde ich lieber Schnauze schreiben) gestrichen voll.
Überall sieht und liest man nur noch von Müttern, die 24/7 um ihre Kinder herum eiern, die hübsche Raupen aus Gurkenscheiben und Käsebällchen am Jausenbrett aus Zirbenholz, welches liebevoll mit dem Vornamen des Kindes, wie Chantal-Claudette-Sofie (das ist ein ganzer Name) oder Kevin-Fabrice-Ernst (auch das ist nur EIN Name), gebrandet ist drapieren, ihre Sprösslinge abwechselnd täglich zwischen Geigen- und Klavierunterricht, Reit- und Golfstunde, Fußballtraining (oh mein Gott! – wie einfallslos!) und Malschule (hat nichts mit Mathematik, sondern tatsächlich mit dem Verbreiten von Kunst für Kinder zu tun) hin und her kutschieren. Selbst sehen sie dabei selbstverständlich immer topp-gestylt, wie frisch vom Friseur und der Visagistin aus, die beide am besten gleich auf der Rückbank im Auto mitfahren (schließlich weiß man ja nie, wer einem im Glock-Performance-Center über den Weg läuft).
Wenn man das Glück hat, am Land zu wohnen, hat man natürlich noch ein großes Haus mit eigenem Gemüse- und Obstgarten, einen Hund, zwei Katzen und ein Pflegepferd beim Reitstall im Ort. Ach so! Nein! Das steht ja im Glock-Performance-Center. Entschuldigung. Hab ich vergessen.
Zusätzlich engagiert man sich im Elternverein der Schule und im Kindergarten, hat ein Sparvereinskästchen im Landgasthaus, singt im Kirchenchor (dabei völlig unerheblich ob man tatsächlich singen kann oder nicht), bäckt immer fleißig für diverse Veranstaltungen und organisiert Kindergeburtstage, die jede Promi-Hochzeit in den Schatten stellen würden.
Diese Frauen und Mütter können alle Ratgeber von Rüdiger Dahlke, Thorwald Dethlefsen, John Gray (nicht zu verwechseln mit dem Herrn GrEy und seinen 50 Schatten) und Jan-Uwe Rogge auswendig und fragen in Elternforen online nach, was man dem Kind bei diesem oder jenem Wetter anziehen soll, was gegen Zeckenbisse und Mückenstiche hilft und welches Medikament man geben soll, wenn Zwerglein nur einmal geniest hat.

Und dann gibt es da noch mich:
Ich komme, meistens etwas zu spät, in Jeans, T-Shirt und Turnschuhen, die Haare am Hinterkopf mit einem pinken Haargummi willkürlich zusammen gewutzelt, Hauptsache der Tschoder hängt mir nicht ins Gesicht, zur Schule gehetzt, um mein Kind abzuholen. Ich hetze aber nicht, weil ich ja sooo im Stress bin und das Mittagessen bereits am Herd steht, sondern weil ich mich meistens irgendwo verkoffert habe. Entweder vorm PC, weil ich dringend noch das letzte Level in Candy Crush spielen musste, ich zu lange mit einer Freundin telefoniert oder die letzte freie halbe Stunde auf der Couch bei McLeod’s Töchtern verbracht habe.
Ja, ich mache auch gerne selber Marmelade aus selbst gepflückten Erdbeeren aus dem Arsch-hoch-Land, oder Hollersaft und Ansatzliköre. Ich stelle Maiwipfelsirup her und nähe gerne Zirbenkissen für meine Freunde und die Verwandtschaft.
Und dennoch: wenn ich dann die leckere Marmelade meinen Kindern aufs Brot schmiere, steche ich danach keine roten Herzen mit Keksausstechern aus dem Toastbrot (ich weiß, Roggenvollkornbrot wäre viiiiel gesünder!…aber Marmelade schmeckt auf Weißbrot besser, genau so wie Nutella) und werfe die Brotreste zu meinen kompostierbaren Kaffeepads, die sowieso meistens im Restmüll landen, weil ich vergesse, dass ich sie eigentlich in die Biotonne geben kann.
Auch ich habe ein kleines Kräuter- und Gemüsebeet, in dem die Radieschen oft verkommen und das Unkraut höher wächst, als der Salat.
Manchmal habe ich keine Lust, mit den Kindern pädagogisch wertvolle Dinge zu basteln, kreative Lernspiele zu spielen oder das 1×1 zu üben. Wenn es draußen kühl und nass ist, liegen wir lieber auf der Couch und ziehen uns einen Film rein, anstatt in Matschkleidung von Jack Wolfskin im Garten zu toben.
Manchmal laufen wir auch mit den Straßenschuhen im Haus herum, gehen ohne Zähneputzen ins Bett und bleiben unter der Woche länger auf.
Meine Kinder durften sogar neue Klamotten, die ich gerade erst gekauft habe, schon am nächsten Tag in die Schule anziehen, OHNE dass ich sie zuvor einmal gewaschen habe.
Wir haben auch schon mit schmutzigen Fingern Kirschen vom Baum gegessen und uns Tütensuppe – nein! PACKLSUPP’N! – zum Abendessen gemacht.
Auch bestellen wir uns mal Pizza und gehen zu McDonald’s. Ganz offiziell!
Hin und wieder darf man auch vor dem Essen naschen oder nach dem Zähneputzen noch Saft trinken.
Und wenn es draußen besonders schön ist, die Sonne vom Himmel lacht, darf man trotzdem drinnen mal Play-Station spielen.
Ich fahre erst mit den Kindern zum Arzt, wenn sie WIRKLICH krank sind oder kein Hausmittel mehr hilft. Ich lasse sie impfen, was im Impfpass vorgesehen ist, ohne vorher das gesamte WorldWideWeb zu durchforsten und Dr. Google zu befragen. Schließlich gibt es zu jeder Studie eine Gegenstudie und hunderte Statistiken und Nebenwirkungen. Wenn es darum geht, darf man auch nicht Daumenlutschen, weil das schlecht fürs Kiefer ist.
Meine Kinder konnte ich nur ein paar Tage stillen und sie sind trotzdem kerngesund, intelligent und normal entwickelt.
Sie haben auch von Anfang an in ihren eigenen Bettchen geschlafen, sehr bald auch in einem eigenen Zimmer und mit ein paar Wochen schon bei Oma übernachtet.
Wir hatten auch kein Puky-Lauf-Lern-Fahrrad (schreibt man das so?), sondern ein Plastik-Rutschauto mit einer nervigen Hupe, mit dem sie hin und wieder auch mal umgekippt sind, weil sie zu schnell um die Kurve kamen und ein stinknormales rotes Dreirad. Da musste man noch so richtig treten und so.
Ich habe ihre Jause auch schon öfter mal in Alufolie gewickelt, weil die Jausenbox noch im Geschirrspüler war und gebe ihnen verdünnbaren Saft in einer Plastik-Trinkflasche mit. Von diesen überteuerten Glasflaschen mit hübschen Stoffhüllen und Zuziehband habe ich immer Abstand genommen. Ihre Trinkflaschen durften auch mal runter fallen.
Jan-Uwe-Rogge und Kollegen kenne ich auch. Das eine oder andere habe ich auch gelesen. Beim ersten Kind. Da war ich noch recht jung und ließ mich schnell verunsichern.
Jetzt sage ich „scheiß drauf!“ und bleibe lieber bei Astrid Lindgren. Schließlich „braucht man ja auch noch Zeit einfach nur dazusitzen und vor sich hinzuschauen“.
Und weiter:“Es gibt kein Alter, indem alles so irrsinnig intensiv erlebt wird, wie in der Kindheit. Wir Großen sollten uns daran erinnern wie das war.“

An jede Mama da draußen, die daran verzweifelt, was ihnen die vermeintlich besserwisserische Gesellschaft auferlegt, hör‘ wieder mehr auf deinen Bauch und vor allem auf dein Herz!

„Lass dich nicht unterkriegen, sei frech und wild und wunderbar…“
(Astrid Lindgren)

 

 

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